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Ob Summer Game Fest, Nintendo Direct oder State of Play: Ich persönlich liebe es, mich über kommende Videospiele zu informieren und freue mich dabei über jede Ankündigung. Ich bestelle aber niemals Games vor und verrate euch heute, warum ihr euch das ebenfalls gut überlegen solltet.
Weshalb Sollte ich überhaupt Videogames pre-ordern?
Ganz ehrlich: Oft ist es der pure Hype um ein neues Game. Mit einer Vorbestellung könnt ihr direkt am Erscheinungsdatum loslegen - bei einigen Titel sogar schon früher, wenn ihr einen kostenpflichtigen Vorabzugang kauft.
Wenn ihr voll im Trend sein und mitreden wollt oder ihr euch die rare physische Sammleredition ins Regal stellen möchtet, ist Pre-Ordern bestimmt euer Ding. Letzten Endes spielt hier meistens die gute alte FOMO (fear of missing out) eine große Rolle. Vorfreude ist die schönste Freude und setzt reichlich den körpereigenen Glücklichmacher Dopamin frei. Das ist übrigens der gleiche Botenstoff der auch bei Mediensucht beteiligt ist.
Auch für Live-Streams und Influencer-Marketing ist es essentiell direkt zum Launch eines Titels aktuelles Videomaterial liefern zu können um konkurrenzfähig zu bleiben. Wobei gerade Influencer*innen auch häufig kostenlose Review-Codes von den Publishern gestellt bekommen, damit ihr Produkt entsprechend im Netz präsentiert wird.
Mit einer Vorbestellung könnt ihr auch die Entwickler schon vor Release mit einem Kauf zum Vollpreis unterstützen. Das macht besonders bei kleineren Entwicklern - den sogenannten Indie-Studios - absolut Sinn.
Oft locken zudem Belohnungen für eine Vorbestellung: Ob ein günstigerer Preis vor dem Release-Datum, zusätzliche Spielinhalte (meist Kleinkram wie Kostüme etc.) oder auch ein Zugang zu einer Beta-Version des Games. Hier gibt es einige Sachen, die zum frühzeitigen Kauf animieren sollen.
Vorbestellungen von Games sind also generell eine gute Sache? Leider nein.
Warum ist Games vorbestellen keine gute Idee?
Seid ehrlich: Was wisst ihr über ein Spiel, wenn ihr es vorbestellt? Ihr habt vielleicht ein paar Trailer, ein bisschen Gameplay direkt vom Publisher und bestenfalls ein Preview-Video aus einer seriösen Quelle gesehen. Das Endprodukt kennt ihr aber noch nicht. Und gerade hier ist der Hund begraben. Denn Games können in der Regel nicht zurückgegeben werden, sobald diese heruntergeladen oder ausgepackt wurden.
Viele Gamer*innen kennen es: Immer mehr Spiele kommen unfertig und fehlerhaft auf den Markt. Oftmals werden Fehler erst später behoben oder sogar nur dann, wenn das Spiel erfolgreich genug ist. Also wenn es für die Company rentabel ist, nachträglich noch einmal Geld in das Spiel zu stecken.
Das ist übrigens auch nicht nur bei ganz neuen Titeln der Fall. Auch Remaster oder Portierungen - also bereits bekannte Spiele auf neuen Plattformen - können durchaus eine echt grottige Qualität aufweisen. So sorgte etwa die anfangs sehr verbuggte Grand Theft Auto: The Trilogy - The definitive Edition für reichlich tolle Memes im Netz - und für eine Menge Frust in der Fangemeinde.
The Lord of the Rings: Gollum hat ebenfalls qualitativ bei weitem nicht das geliefert, was die Trailer versprochen haben. Hier musste sogar nach der Veröffentlichung des Spiels eines der größten deutschen Entwicklungsstudios komplett schließen.
Aber auch angekündigte Features fehlen durchaus schon mal in der finalen Version. Das gab es zum Beispiel beim First Person Shooter Atomic Heart. Hier fiel das angekündigte Raytracing, das für eine stimmungsvollere Beleuchtung sorgen soll, der Schere zum Opfer.
Da helfen auch blumige Versprechen der Hersteller nicht. So wurde etwa das Piratenabenteuer Skull and Bones
noch kurz vor Release vom CEO des Publishers als "AAAA-Game" angepriesen. Was dieser neue Standard offenbar bedeuten soll, haben wir gesehen. Ziemlich sicher auch nicht zum letzten Mal.
Gerade Fans von Multiplayer-Titeln haben außerdem statt mit den Außerirdischen oft erst einmal mit überlasteten oder defekten Servern zu kämpfen: Zum Beispiel waren beim extra bezahlten (!) Early Access zu Suicide Squad: Kill the Justice League die Server stundenlang down. Das war besonders fatal, da sich das Game bislang nicht offline spielen lässt.
Ganz böse: Leider kommt es vor, dass Publisher und Entwickler einfach dreiste Lügen auftischen. Viele Trailer in der Branche zeigen nur schnell zusammengeschnittene Bildschnipsel. Oft gibt es dabei auch nur Szenen aus Zwischensequenzen oder gar eigens für den Trailer produziertes Material, das nicht einmal im Spiel ist. Das Gameplay selbst wird vergleichsweise wenig gezeigt.
Es gibt sogar Fälle in denen nicht einmal das angekündigte Genre geliefert wird. So wurde aus einem mit fntastischen Trailern angekündigten Survival-MMO zum Release plötzlich ein Extraction-Shooter. Spätestens The Day Before sollte Ende 2023 wirklich jedem, der sich mit Games befasst, gezeigt haben, dass man niemals nicht vorbestellen sollte. Das Spiel verschwand nach wenigen Tagen wieder in der Versenkung und wurde Käufern von Steam erstattet. Dokus dazu gibts reichlich im Internet.
Und dann gabs auch noch Redfall, Skull Island: Rise of Kong, Pokemon Karmesin & Pupur, den Launchzustand von Cyberpunk 2077 oder Battlefield 2042... Und ich könnte hier ewig so weiter machen.
Kurzum: Bei einer Vorbestellung könnt ihr euch nie sicher sein, dass ihr für euer Geld Ware bekommt, welche die Versprechen der Publisher und vor allem eure Erwartung erfüllt.
Warum gibt es überhaupt unfertige Games auf dem Markt?
Ganz wichtig: Im Normalfall liegen die oben angesprochenen Probleme gar nicht an den Entwicklerteams selbst.
Hier geht es ganz klar mal wieder ums liebe Geld: Die Entwicklung von Videospielen ist eine sehr teure Angelegenheit. Ein großer Triple-A-Blockbuster kostet heute schnell einen dreistelligen Millionenbetrag. Gerade diese Großproduktionen müssen gegenüber den Aktionären und sonstigen Investoren gerechtfertigt werden.
Dadurch kommt es dazu, dass Veröffentlichungstermine oft knallhart eingehalten werden, damit die Quartalszahlen des Konzerns passen oder das Spiel auf Biegen und Brechen zum wichtigen Weihnachtsgeschäft erscheinen kann. Leider kommt es gerade in diesen Konstellationen oft dazu, dass die Entwickler teils abartige Mehrarbeit - in der Branche auch "Crunch" genannt - leisten müssen, damit Termine eingehalten werden können. Auch werden geplante Features oft aus Kostengründen gestrichen oder eingeschränkt.
Die Publisher von großen Mainstream-Titeln riskieren relativ wenig, wenn das Game unfertig auf den Markt kommt. Wie schon geschrieben, ist es meistens nicht möglich ein Videospiel zu stornieren. Es gibt zwar spätestens ab der Veröffentlichung recht schnell entsprechende Reaktionen der Fachpresse oder von Gamer*innen im Netz, allerdings informieren sich immer noch nur die wenigsten Menschen ausführlich über ein neues Spiel, bevor sie Geld dafür ausgeben. Und das können heute ganz schnell 70, 80 oder sogar über 100 € für etwaige Sondereditionen sein.
Und hier seid ihr als Gamer*innen gefragt: Denn mit dem Pre-Ordern von Games signalisiert ihr den Publishern, dass die oben genannten Praktiken völlig legitim sind.